Interview mit der U17-Nationalspielerin Maraike Kusian

04.09.2019

[HRSON] Maraike, herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Einstand. Du hast das erste Mal mit der U17 eine komplette EM gespielt. Der 7. Platz war nicht ganz das Ergebnis, welches sich Mannschaft, Trainer und der DHB vorgestellt haben. Doch Du hast 19 Tore geworfen, für den ersten Auftritt eine sehr gute Marke, und ihr habt die Qualifikation für die WM 2020 geschafft. Wie war das für Dich?

Maraike Kusian:  Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Man ist mit so einem Gänsehautgefühl in die Spiele gegangen, weil man gar nicht realisieren konnte, dass es jetzt wirklich real geworden ist und eine EM spielen darf. Ich konnte so viele Erfahrungen sammeln, von Spiel zu Spiel stieg das Selbstbewusstsein, was sich in den Leistungen zeigte und was ich mit in den Heimverein bringen werde. Man spürte die internationale Härte, sich durchzusetzen ist erheblich schwieriger und intensiver. Aber ein tolles Erlebnis sich mit Teams auf Augenhöhe zu messen. Ich habe viel gelernt.

[HRSON]  Maraike, wir wissen, dass Dich Deine Eltern nach Slowenien begleitet haben, natürlich Deine größten Fans und sehr stolz sind. Wie behält man in seiner ersten EM seine Emotionen und Gefühle in solchen Spielen unter Kontrolle?

Maraike Kusian:  Man weiß einfach: wenn man zu nervös ist, geht alles schief. Eine gesunde Nervosität ist gut, sollte einen aber nicht verrückt machen. Vor dem ersten Auftritt waren wir alle sehr aufgeregt, das hat sich auch im Spiel gezeigt. Auch ich war nervös, doch sobald das Spiel los geht, fiel bei mir alles ab. So konnte ich frei aufspielen.

[HRSON]  Maraike, wenn Du die EM einmal Revue passieren lässt – wie war der Verlauf aus Deiner Sicht? Was war Dein persönliches Highlight in diesem Turnier?

Maraike Kusian:  Für das Team ist es leider blöd gelaufen. Wir verlieren das entscheidende Spiel, fallen in ein Loch und kommen nicht mehr heraus, haben die Köpfe hängen lassen. Das ich zwei Mal beste Torschützin wurde, ist mein persönliches Highlight. Und in der großen Halle von RK Celje spielen zu dürfen, ist ein weiteres. Niemand von uns spielte zuvor in einer so großen Halle mit Geschichte.

[HRSON]  Maraike, Du bist ein Kind der Region, kommst vom MTV Vorsfelde, aus einem Stadtteil von Wolfsburg. Kannst Du uns in kurzen Worten beschreiben, was oder wer Dich hier sportlich geprägt hat, welchen Teil die Handballregion erfüllte, welchen Einfluss das vielleicht auf Deine bisherige Karriere genommen hat?

Maraike Kusian:  Als kleines Mädchen wollte ich mich mit den Jungs messen. Unter meinem Trainer Peter Fanslau beim MTV Vorsfelde konnte ich das sogar gegen den älteren Jahrgang und spielte dadurch etwas höher. Dann wurde ich in die HRSON-Regionsauswahl Jahrgang 2001 berufen, spielte und trainierte dort unter Trainer Hendrik Tuschy. Dieses Training brachte mich sehr weiter und ich konnte mich dort nun mit Mädchen auf Augenhöhe messen. Dann kam der Wechsel unter dem gleichen Trainer zur HSG Weyhausen/Tappenbeck/Fallersleben (Anmerkung der Redaktion: heute JSG Allertal). Nach der erfolgreichen Sichtung des HV Niedersachsen lud mich Landestrainer Christian Hungerecker zur HVN-Auswahl ein. Das bedeutete deutlich mehr Training, in denen ich mich mit der Zeit gut entwickelte. Im Jahr 2016 kam der logische Wechsel zu Hannover-Badenstedt. Dort war inzwischen Christian Hungerecker Trainer geworden. Dort spiele ich inzwischen in der 3.Liga und lebe jetzt im zweiten Jahr im Sportinternat in Hannover.

[HRSON]  Maraike, inzwischen spielst Du mit 16 Jahren beim TV Badenstedt in der 3.Liga und hast über den HV Niedersachsen einen Internatsplatz beim Landessportbund in Hannover. Wer Deinen Werdegang verfolgt hat, glaubt schnell, das geht Dir so einfach von der Hand und sieht alles leicht aus. Ganz so wird es nicht sein. Wie sehen Deine Tage heute so aus mit Schule und Training?

Maraike Kusian:  Es ist auf keinen Fall leicht für mich. Im ersten Jahr kam nämlich Heimweh auf und ich musste mich in den Unterrichtsstoff reinarbeiten. Hinzu kam das dreifache Pensum an Trainingseinheiten und mein Körper musste sich erst daran gewöhnen. Ich bin in einer Schulzeitstreckung, was bedeutet, weniger Stunden in der Woche in der Schule sein zu müssen. Dafür gehe ich allerdings ein Jahr länger zur Schule, kann so aber bis zu 10 Trainingseinheiten die Woche absolvieren. Morgens beginnt der Tag mit einer Einheit, gehe dann zur Schule und zum Abend hin dann die zweite Einheit, entweder im Vereinstraining oder inzwischen beim DHB-Stützpunkt. Die Schulzeitstreckung macht es mir deutlich einfacher, ich erfahre dadurch weniger Druck.

[HRSON]  Maraike, aus Deiner Zeit in unserer Region hast Du mit Toni Reinemann (heute VfL Oldenburg A-Jugend) und mit Amelie Möllmann (heute TSG Ketsch Kurpfalz Bären A-Jugend) zusammen gespielt, die ebenfalls einen tollen Weg eingeschlagen haben. Verfolgst Du diese Werdegänge und hat man noch Zeit in Kontakt zu bleiben?

Maraike Kusian:  Natürlich verfolge ich ihre Werdegänge. Mit Amelie habe ich letztes Jahr noch zusammengespielt. Und mit Toni spiele ich dieses Jahr wieder zusammen, da ich ein Zweitspielrecht für die Bundesliga A-Jugend beim VfL Oldenburg besitze. Wir waren früher immer ein Dreierpack, spielten bei der JSG Allertal auch im Verein zusammen. Auch wenn sich unsere Wege getrennt haben, bleibt die Freundschaft bestehen. Wir versuchen regelmäßig in Kontakt zu kommen, spielen bestenfalls miteinander oder auch gegeneinander.

[HRSON]  Maraike, die Zeit und Dein Alter sprechen für Dich. Wenn Du von schweren Verletzungen verschont bleibst, wo siehst Du Dich sportlich selbst in den kommenden 3 bis 4 Jahren?

Maraike Kusian:  Erstmal möchte ich mein Fachabitur erreichen, das ist mir sehr wichtig. Sportlich betrachtet sehe ich mich in einer Bundesligamannschaft. Wo es mich hintreibt, wird die Zeit zeigen. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich in der 1.Bundesliga spielen kann. Des Weiteren hoffe ich natürlich in der Nationalmannschaft bleiben zu können und muss mich dort beweisen. Ein Ziel ist dann auch die Frauen A-Nationalmannschaft.

[HRSON]   Maraike, letzte und abschließende Frage. Was wird Dein Reiseziel für das Jahr 2020 sein?

Maraike Kusian:  Auf jeden Fall China und die WM 2020. Dafür werde ich hart arbeiten.

 

Fotoserien


Maraike Kusian (04.09.2019)

U17-Nationalspielerin und EM-Teilnehmerin Maraike Kusian